Am Dienstag Abend, dem 14. Oktober 2014 wurde den Besucher des Theater an der Effingerstrasse das Stück "Wer hat Angst von Virginia Wolf" gezeigt.
Genau 1 Tag und 52 Jahre war es her, seit das Theater in seiner englischen Urversion in New York erstmals aufgeführt wurde. Der Autor Edward Albee wählte für sein gesellschaftskritisches Drama kein leichteres Thema als der Bund der Ehe oder die Bedeutung eines gemeinsamen Kindes.
Frank Churchill's Kinderlied "Who's afraid of the big bad Wolf" diente als Grundbaustein und wird im Titel und auch mehrmals während der Aufführung auf unterschiedliche Weise angedeutet.
Das Ehepaar George und seine Frau Martha empfängt nach einer kurzen aber lautstarken Auseinandersetzung Besuch. Beide befinden sich etwa in der Mitte des Lebens, George betont aber jünger als Martha zu sein. Nick und "die Süsse", ein zweites - wesentlich jüngeres und naiveres - Ehepaar betritt nun als Gast ihr Wohnzimmer. Nick, ein junger Biologieprofessor arbeitet an derselben Hochschule wie der Geschichtsprofessor Georges. Martha, die Tochter des Dekans genau dieser Hochschule beginnt nun ihren Mann vor versammelter Runde zu demütigen. Schnell wird seine berufliche Unfähigkeit thematisiert und Georges beginnt sich indirekt durch Sticheleien an Nick zu rächen. Die Themen werden mit fortschreitendem Alkoholkonsum immer privater und die Situation für alle Beteiligten unangenehmer. Nick und "die Süsse", die erst nur Zeugen gewesen sind, geraten immer mehr zwischen die Fronten und verlieren schliesslich, wie auch George und Martha vollständig die Kontrolle.
Das Bühnenbild im Theater an der Effingerstrasse bestand lediglich aus einem Raum mit einem Ausgang. Hierbei handelte es sich um das Wohnzimmer des Ehepaars George und Martha. Die unbequem aussendenden Sofas und Ohrensessel, die U-förmig im Wohnzimmer aufgestellt waren, erweckten den nostalgischen Charme eines Mittelklasse Appartements in den 60er Jahren. Rundherum standen leere Glasflaschen und wiesen demonstrativ auf ein offenbar bewährtes Handlungsmuster hin: nämlich den Alkoholkonsum.
Während der beachtlichen Spiellaufzeit von über 2.5 Stunden wurden unzählige weitere Flaschen ihres hochprozentigen Inhalts erleichtert. Auf der Bühne setzte sich eine wellenförmige Stimmungskurve in Gang. Auf euphorische Heiterkeit folgte zerschmetternde Wahrheit und auf leichten Small-Talk folgten brutale Drohungen.
Folglich hatten auch die glücklichen und ausgefallenen Momente stets einen bitteren Nachgeschmack, denn der Zuschauer erkannte schnell: Je glücklicher die Stimmung unter den Schauspieler wurde, umso härter trifft uns die Dramatik in der nächsten Szene.
Aller Anschein nach, stellten die vielen raschen Stimmungswandel innerhalb einer Szene eine grössere Herausforderung für die Schauspieler dar. Martha (Wiltrud Schreiner) und Nick (Felix Krauss) verloren zusehends charakterliche Tiefe und folgten schliesslich ganz dem Stereotyp einer gemeinen und unterdrückenden Gattin bezw. dem, eines untreuen und vorlauten Parvenüs.
Georges (Gilles Tschudi) wälzte sich oft lautstark in seinem Leid, konnte allerdings seine Verzweiflung durchaus spürbar verkörpern. Als sich die unbeantworteten Fragen gegen Ende des Dramas häuften, spürte man sogar einen feinen aber unverkennbaren Hauch, der äusserst beängstigen psychischen Tiefe seiner Person.
"Die Süsse" (Charlotte Krempel), die hoffentlich in der englischen Originalform einen gesellschaftstauglicheren Namen geniesst, hatte die geringste Bühnenpräsenz.
Beim häufigen Stimmungswechsel war ihr aktueller Gemütszustand nur mit grossen analytischen Bemühungen erkennbar. Das Lachen wirkte teils falsch und die Verzweiflung nicht so echt, wie bei Georges. Als dieser sie im 2. Akt bloßstellt und ihr Geheimnis um die Scheinschwangerschaft lüftet, verlässt sie unter Tränen die Bühne. Der Abgang war überzeugend und das Herz vieler Zuschauer machte einen Satz. Nach der immer wiederkehrenden Wut war die reine und echte Trauer einer jungen Frau wohl eine Emotion mit der der Zuschauer etwas anfangen konnte. Später im Theater wurde "die Süsse" sogar zur Trägerin der Hoffnung, als sie sich erstmals ernsthafte Gedanken über ein Kind mit Nick machte. Sie revidierte ihre anfängliche Ablehnung und kündete schliesslich auch an, die Herausforderung aufnehmen zu wollen.
Zur auditiven Unterstreichung der grossen Wut und Gewaltbereitschaft aller Charakter wurde die Sprache erst sehr laut und dann zunehmend vulgär. Nach einer gefühlten Ewigkeit im Theatersessel wurden die Worte jedoch kaum noch wahrer, indem man sie einfach lauter sprach. Ferner brachte das expressive Herumbrüllen den Nachklang einer gewissen Lächerlichkeit mit sich und lenkte den Zuschauer viel eher von der Handlung ab, als sie, ihm näher zu bringen.
Der ständige Streit zwischen George und seiner Frau Martha, der gewisser weise im Zentrum aller Handlungen stand, brachte vielerlei Redundanzen mit sich, die in einigen Fällen sogar als humoristische Elemente interpretiert wurden.
So rieft Martha ihren Gatten ständig mit der abschätzigen Bezeichnung "Kleiner", was George sichtlich provozierte. Paradoxerweise liess Georges aber keine Gelegenheit aus, um zu erwähnen, dass er jünger als Martha sei, und dies auch für immer bleiben würde.
Der zynische Humor, der die ganze Dramatik anfangs noch greifbar und erträglich machte, war schnell verschwunden und fand an diesem Abend nicht mehr in das Theater an der Effingerstrasse zurück.
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