Donnerstag, 16. Oktober 2014

Die Farbe und ich. Augusto Giacometti - Gruppe 11 - Foto, Text

"Die Farbe und ich. Augusto Giacometti" im Kunstmuseum Bern. Eine Kritik der Gruppe 11

Mit sehr gemischten Gefühlen betritt man die Ausstellungsräume des Kunstmuseums Bern, in denen sich zur Zeit die Sonderausstellung "Die Farbe und ich. Augusto Giacometti", die sich dem Schweizer Künstler Augusto Giacometti widmet, befindet. Giacometti ist keinesfalls ein Unbekannter, dies jedoch vielmehr seiner Familie, als seiner eigenen Arbeiten wegen. Er gehört der Dynastie der Bergeller Künstler an, er selbst ist Cousin 2. Grades von Giovanni Giacometti, Vater des berühmten Alberto Giacometti.
Gemischte Gefühle deswegen, weil Augustos Werke keinesfalls mit Albertos Grösse gleichgestellt werden kann – das Kunstmuseum scheint uns das Gegenteil klar machen zu wollen. Der (zu) hohe Eintrittspreis (18.- CHF / 14.- CHF Ermässigt) und die vielen Plakate in der ganzen Stadt lassen Hoffnung aufkommen, wobei das eine wohl dazu da ist, das andere zu amortisieren. Immerhin hat das Museum für die Ausstellung den moderneren Teil des Gebäudes gewählt – die Vorstellung einer Ausstellung von alten Gemälden in einer noch älteren Umgebung ist geradezu grausig. 

Auffallend gleich zu Beginn sind zwei von Giacomettis (flächenmässig) grössten Werken, die im Innenhof hängen. In den Räumen rund um den Hof sind die anderen Exponate ausgestellt. 130 sollen es insgesamt sein, wobei auch Leihgaben aus dem MoMA und nie gezeigte sich in Privatbesitz befindende Ausstellungsstücke dabei sind. Die Kuratoren haben sich entschieden, in chronologischer Reihenfolge vorzugehen, was dem Laien den Museumsbesuch zwar sicherlich vereinfacht, allerdings ein doch sehr einfaches, mittlerweile eher abgenutztes und plumpes Mittel der Darstellung ist. Allerdings erhält der Besucher so ein sehr gutes Bild des künstlerischen Werdeganges von Giacometti, angefangen im Jahre 1903. Vom Jugendstil geprägt sind Giacomettis frühe Werke ausgestellt, japanisch angehaucht (woher genau und wieso überhaupt werden wir im Museum nicht erfahren) und mit einer beeindruckenden Kälte und Schlichtheit inszeniert wirken sie trotzdem pompös und füllen den Raum aus. 

Interessant an Augusto Giacometti ist vor allem der Umgang mit der Farbe. Einige Werke weisen ganz unkonventionelle Farbtöne auf und trotzdem wirken sie sehr natürlich. Andere wiederum, mit dem Spachtel geschaffen, haben plastische Elemente und lassen auch die Leinwand durchscheinen und lassen diese so als Stilmittel zu. Auch wenn man hier von Verschwendung der Farbe sprechen könnte, ziehen mich diese Bilder zu meiner Überraschung tatsächlich in einen gewissen Bann. 

Ob die Ausstellung gelungen ist oder nicht, wagt man kaum zu urteilen, so gemischt sind die Eindrücke. Im Verlaufe der Ausstellung gewöhnt man sich an die Anfangs sehr störende Kälte, die an eine schlechte Version des MoMA erinnert, vor allem deswegen, weil Giacomettis Werke sehr farbenfroh sind. Wegen des Spiels verschiedener Farben und Formen und dennoch klar erkennbarer Strukturen und Objekte gilt er auch als Pionier auf seinem Gebiet. Viele Künstler habe er inspiriert, darunter auch Klee und Cézanne. Werke von diesen beiden und auch von anderen Künstlern, die offenbar vieles gemeinsam mit Giacometti hätten, darunter auch Délacroix, sind in einem Raum ausgestellt, der Giacomettis internationale Ausstrahlung zeigen soll. Dieser Raum ist ein Höhepunkt der Ausstellung, da man dort für sein Geld tatsächlich etwas geboten kriegt und Werke von wirklich grossen Künstlern bestaunen darf. 


In einem letzten Ausstellungsraum, wobei die Ausstellung die Besucher bis dahin durch eine Reise der Zeit führte und so auf anschauliche, jedoch wenig spektakuläre und eher unpassende Weise die stilistischen Veränderungen mit der Zeit darstellte, sind mehrere Selbstbildnisse ausgestellt. Auf allen als sehr seriös dargestellt ist hier, obgleich aus verschiedenen Epochen stammend, viel Gemeinsames zu erkennen. Mit weniger Farbe und eher nüchtern erinnern mich diese Werke entfernt an die langweiligen Selbstporträts des grossen van Gogh.


In diesem letzten Raum sind auch Giacomettis Glasmalereien auf innovative weise dargestellt: Per Live-Webcam wird das Fenster des Zürcher Grossmünsters ins Museum übertragen. Wie sinnvoll das schlussendlich ist, ist fraglich. Bei schlechtem Wetter oder bei Dämmerung erkennt man beinahe nichts. Dennoch soll bei schönem Wetter das Fenster in voller Farbenpracht erstrahlen.



Ausgangs- und Endpunkt der Ausstellung  bilden die Pastelle, die ab 1899 in Paris entstanden sind und somit eigentlich die künstlerischen Anfänge von Giacometti zeigen. Der angehende Künstler zeichnete im dortigen Zoologischen Museum Schmetterlinge, liess die Konturen weg und spielte mit Farben und Formen. Das Ergebnis ist eine Vielzahl an Aquarellen, von denen manche sehr gewöhnlich daherkommen, andere auf ganz besondere Weise fesselnd sind.


Bis anhin ein Geheimtipp ist nun auch der letzte aus der Giacometti-Dynastie an der Reihe. Nach der Ausstellung wird er zwar kein Geheimtipp mehr sein, jedoch werden seine Werke dadurch auch nicht spektakulärer und in wenigen Jahren wird er wieder ein Geheimtipp geworden sein. Mehr oder weniger verdientermassen wird er in einer gross aufgezogenen Ausstellung im Kunstmuseum Bern durchaus pompös inszeniert. Spürbar ist das auch an den hohen Eintrittspreisen für die doch eher kleine Ausstellung. Dank der Vielfalt, der guten Inszenierung und der Farbenpracht der Werke ist die Ausstellung dennoch interessant anzusehen. Sofern man sich die Zeit nehmen will, sich auf einen eher kleinen Namen der Giacometti-Familie einzulassen. Besuchen sollte man die Ausstellung unbedingt, sofern man eine grosse Ansammlung von wichtigen Giacometti-Werken sehen will, denn allzu bald wird man dazu die Chance nicht mehr haben.


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