"Die Farbe und ich. Augusto Giacometti" im Kunstmuseum
Bern. Eine Kritik der Gruppe 11
Mit sehr gemischten Gefühlen betritt man die Ausstellungsräume des
Kunstmuseums Bern, in denen sich zur Zeit die Sonderausstellung "Die Farbe
und ich. Augusto Giacometti", die sich dem Schweizer Künstler Augusto
Giacometti widmet, befindet. Giacometti ist keinesfalls ein Unbekannter, dies
jedoch vielmehr seiner Familie, als seiner eigenen Arbeiten wegen. Er gehört
der Dynastie der Bergeller Künstler an, er selbst ist Cousin 2. Grades von
Giovanni Giacometti, Vater des berühmten Alberto Giacometti.
Gemischte Gefühle deswegen, weil Augustos Werke keinesfalls mit
Albertos Grösse gleichgestellt werden kann – das Kunstmuseum scheint uns das
Gegenteil klar machen zu wollen. Der (zu) hohe Eintrittspreis (18.- CHF / 14.- CHF Ermässigt) und die vielen
Plakate in der ganzen Stadt lassen Hoffnung aufkommen, wobei das eine wohl dazu
da ist, das andere zu amortisieren. Immerhin hat das Museum für die Ausstellung
den moderneren Teil des Gebäudes gewählt – die Vorstellung einer Ausstellung
von alten Gemälden in einer noch älteren Umgebung ist geradezu grausig.
Auffallend gleich zu Beginn sind zwei von Giacomettis
(flächenmässig) grössten Werken, die im Innenhof hängen. In den Räumen rund um
den Hof sind die anderen Exponate ausgestellt. 130 sollen es insgesamt sein,
wobei auch Leihgaben aus dem MoMA und nie gezeigte sich in Privatbesitz
befindende Ausstellungsstücke dabei sind. Die Kuratoren haben sich entschieden,
in chronologischer Reihenfolge vorzugehen, was dem Laien den Museumsbesuch zwar
sicherlich vereinfacht, allerdings ein doch sehr einfaches, mittlerweile eher
abgenutztes und plumpes Mittel der Darstellung ist. Allerdings erhält der
Besucher so ein sehr gutes Bild des künstlerischen Werdeganges von Giacometti,
angefangen im Jahre 1903. Vom Jugendstil geprägt sind Giacomettis frühe Werke
ausgestellt, japanisch angehaucht (woher genau und wieso überhaupt werden wir
im Museum nicht erfahren) und mit einer beeindruckenden Kälte und Schlichtheit
inszeniert wirken sie trotzdem pompös und füllen den Raum aus.
Interessant an Augusto Giacometti ist vor allem der Umgang mit der
Farbe. Einige Werke weisen ganz unkonventionelle Farbtöne auf und trotzdem
wirken sie sehr natürlich. Andere wiederum, mit dem Spachtel geschaffen, haben
plastische Elemente und lassen auch die Leinwand durchscheinen und lassen diese
so als Stilmittel zu. Auch wenn man hier von Verschwendung der Farbe sprechen
könnte, ziehen mich diese Bilder zu meiner Überraschung tatsächlich in einen
gewissen Bann.
Ob die Ausstellung gelungen ist oder nicht, wagt man kaum zu
urteilen, so gemischt sind die Eindrücke. Im Verlaufe der Ausstellung gewöhnt
man sich an die Anfangs sehr störende Kälte, die an eine schlechte Version des
MoMA erinnert, vor allem deswegen, weil Giacomettis Werke sehr farbenfroh sind.
Wegen des Spiels verschiedener Farben und Formen und dennoch klar erkennbarer
Strukturen und Objekte gilt er auch als Pionier auf seinem Gebiet. Viele
Künstler habe er inspiriert, darunter auch Klee und Cézanne. Werke von diesen
beiden und auch von anderen Künstlern, die offenbar vieles gemeinsam mit
Giacometti hätten, darunter auch Délacroix, sind in einem Raum ausgestellt, der
Giacomettis internationale Ausstrahlung zeigen soll. Dieser Raum ist ein
Höhepunkt der Ausstellung, da man dort für sein Geld tatsächlich etwas geboten
kriegt und Werke von wirklich grossen Künstlern bestaunen darf.
In einem letzten Ausstellungsraum, wobei die Ausstellung die
Besucher bis dahin durch eine Reise der Zeit führte und so auf anschauliche,
jedoch wenig spektakuläre und eher unpassende Weise die stilistischen
Veränderungen mit der Zeit darstellte, sind mehrere Selbstbildnisse
ausgestellt. Auf allen als sehr seriös dargestellt ist hier, obgleich aus
verschiedenen Epochen stammend, viel Gemeinsames zu erkennen. Mit weniger Farbe
und eher nüchtern erinnern mich diese Werke entfernt an die langweiligen
Selbstporträts des grossen van Gogh.
In diesem letzten Raum sind auch Giacomettis Glasmalereien auf
innovative weise dargestellt: Per Live-Webcam wird das Fenster des Zürcher
Grossmünsters ins Museum übertragen. Wie sinnvoll das schlussendlich ist, ist
fraglich. Bei schlechtem Wetter oder bei Dämmerung erkennt man beinahe nichts.
Dennoch soll bei schönem Wetter das Fenster in voller Farbenpracht erstrahlen.
Ausgangs- und Endpunkt der Ausstellung bilden die Pastelle,
die ab 1899 in Paris entstanden sind und somit eigentlich die künstlerischen
Anfänge von Giacometti zeigen. Der angehende Künstler zeichnete im dortigen
Zoologischen Museum Schmetterlinge, liess die Konturen weg und spielte mit
Farben und Formen. Das Ergebnis ist eine Vielzahl an Aquarellen, von denen
manche sehr gewöhnlich daherkommen, andere auf ganz besondere Weise fesselnd
sind.
Bis anhin ein Geheimtipp ist nun auch der letzte aus der
Giacometti-Dynastie an der Reihe. Nach der Ausstellung wird er zwar kein
Geheimtipp mehr sein, jedoch werden seine Werke dadurch auch nicht
spektakulärer und in wenigen Jahren wird er wieder ein Geheimtipp geworden
sein. Mehr oder weniger verdientermassen wird er in einer gross aufgezogenen
Ausstellung im Kunstmuseum Bern durchaus pompös inszeniert. Spürbar ist das
auch an den hohen Eintrittspreisen für die doch eher kleine Ausstellung. Dank
der Vielfalt, der guten Inszenierung und der Farbenpracht der Werke ist die
Ausstellung dennoch interessant anzusehen. Sofern man sich die Zeit nehmen
will, sich auf einen eher kleinen Namen der Giacometti-Familie einzulassen.
Besuchen sollte man die Ausstellung unbedingt, sofern man eine grosse
Ansammlung von wichtigen Giacometti-Werken sehen will, denn allzu bald wird man
dazu die Chance nicht mehr haben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen